Wie kann die Wohnungskrise in Grossbritannien angegangen werden? Laut Tim Munn, CIO Swiss Life Asset Managers UK, können institutionelle Anleger eine zentrale Rolle bei der Behebung des Finanzierungsengpasses bei britischen Immobilien spielen, vor allem in Regionen, die von Anlegern oft vernachlässigt werden.

Viele britische Städte leiden unter einer jahrelangen Unterinvestition in Immobilien. Das hat zu veralteter Infrastruktur und stagnierendem Wachstum beim Wohnimmobilienangebot geführt. Trotz der im Oktober Budget vorgesehenen höheren Staatsausgaben dürfte sich die britische Wohnungskrise nicht allein durch staatliche Eingriffe lösen lassen.

In Zusammenarbeit mit lokalen Behörden und Entwicklern haben institutionelle Anleger das Potenzial, erhebliches Kapital in vernachlässigte Regionen Grossbritanniens zu lenken. Das bietet die Möglichkeit, langfristig attraktive und verlässliche Renditen zu erwirtschaften und gleichzeitig eine bedeutende soziale und wirtschaftliche Wirkung zu erzielen.

Deshalb konzentrieren wir uns darauf, das Angebot an Mehrfamilien- und Einfamilienhäusern in gut vernetzten Städten wie Bolton, Stockport und Stoke-on-Trent aufzustocken. In diesen pulsierenden Zentren suchen Tausende von Menschen nach hochwertigen Mietwohnungen und können sie sich auch leisten. Dennoch vernachlässigen britische und internationale Anleger diese Standorte nach wie vor und investieren lieber in den grossen regionalen Zentren wie Birmingham und Manchester, weil sie Wohnstrategien aus einer Geschäftsimmobilien Perspektive betrachten.

Es herrscht landesweit ein Mangel an Wohnraum – in den nächsten zehn Jahren wird eine Million zusätzliche Mietwohnungen benötigt, aber nur 300 000 sind in der Pipeline. In grösseren Zentren liegen Angebot und Nachfrage bereits näher beieinander. So werden in Birmingham derzeit 62% der Mietnachfragen gedeckt, in Leeds und Manchester sind es 44%. An unterinvestierten Standorten hingegen zeigt sich ein chronisches Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage – in Sheffield werden derzeit nur 20% und in Liverpool nur 18% der Nachfragen gedeckt. Folglich hat auch das Mietpreiswachstum an unterinvestierten Standorten dasjenige von grösseren Märkten übertroffen, wie zum Beispiel in Bolton, wo die Mieten zwischen 2020 und 2023 um 38,7% zunahmen. Unterinvestierte Standorte dürften sich deshalb überdurchschnittlich entwickeln, da neues Kapital Chancen eröffnet. Und das wiederum führt zu einer Kompression der Renditen.

Vorteile für alle Beteiligten

Betrachtet man weniger etablierte Wohnungsmärkte, wird irrtümlicherweise angenommen, dass Anleger schlechtere Liquidität, minderwertigere Häuser, geringeres Mietpreiswachstum und höhere Mietausfallraten in Kauf nehmen müssten. Diese Wahrnehmung erfolgt aber oft aus einer Geschäftsimmobilien-Perspektive, bei der Investoren in der Regel diejenigen Städte als «wirtschaftlich aktiv» einstufen, die die höchste Konzentration an White-Collar-Beschäftigten aufweisen.

So werden diese Standorte trotz des dringenden Bedarfs an hochwertigem Wohnraum bei Neuinvestitionen oft vernachlässigt. Und wenn in den unterversorgten Regionen Grossbritanniens dennoch neue Investitionen getätigt werden, entscheiden sich die meisten Entwickler mit wenig inspirierendem Design, einfachster Grundausstattung und schlechten Nachhaltigkeitsmerkmalen für die naheliegendsten Projekte, die nur einen minimalen Beitrag zur Stadterneuerung und zur Gesellschaft insgesamt leisten. Das lädt Menschen und Familien mit einem höheren verfügbaren Einkommen kaum dazu ein, an einem solchen Ort zu bleiben und die lokale Wirtschaft zu unterstützen.

Damit angebotsschwache Gemeinden im ganzen Land wirklich profitieren, sollten Anleger Entwickler wählen, die bereit sind, mit lokalen und zentralen Behörden gemeinsam an ambitionierten Transformationsprojekten zu arbeiten. Einige Entwickler übersehen jedoch schlichtweg die notwendigen Massnahmen, die für eine echte Stadterneuerung und für soziale Wirkung notwendig sind, denn diese Tätigkeit bedingt nach wie vor ein positives Engagement mit den oft fragmentierten und bürokratischen Akteuren der lokalen Regierung. Für Anleger und Entwickler hat es sich als schwierig erwiesen, auf dieser Grundlage schnell und in grossem Umfang zu handeln.

Auch wenn es in der Regel länger dauert, bis die Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden zur Freigabe von Land, das für neue Entwicklungsprojekte an weniger etablierten Standorten benötigt wird, Früchte trägt, gibt es Zuschüsse und attraktive Finanzierungspakete. Diese Programme tragen dazu bei, die Entwicklung voranzutreiben. Davon profitieren alle Beteiligten – die potenziellen Eigenheimbesitzer, die Allgemeinheit, die lokalen Behörden, die Entwickler und die Anleger. Zudem dürften die Anleger angesichts der hohen Nachfrage nach hochwertigem Wohnraum in Gebieten mit stark eingeschränktem Angebot auch von einem nachhaltigen langfristigen Mietpreiswachstum und robusten Wiederverkaufswerten profitieren.

Attraktives langfristiges Potenzial

Ermutigend ist, dass wir nach Jahren der Untätigkeit kurz vor einer konzertierteren Anstrengung der britischen Regierung zu stehen scheinen, die lokale Entwicklung zu fördern, insbesondere in Städten, die seit vielen Jahren weitgehend vernachlässigt wurden. Darüber hinaus beobachten wir zusätzliche Anstrengungen zur Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum. Für die Gemeinden ist dies von entscheidender Bedeutung, um Erwerbstätige zu halten, die dann vor Ort Geld ausgeben.

Diese transformativen Entwicklungen, bei denen historische Gebäude neben designorientierten Neubauten stehen, werden dazu beitragen, dass die Stadtviertel lebendig und attraktiv bleiben – mit Restaurants, Cafés, Arbeitsplätzen und Gemeinschaftszentren. Dieser «Doughnut-Effekt» wird auch Investitionen in weitere Stadterneuerungs- und Raumgestaltungsprojekte mit hoher sozialer Wirkung begünstigen.

Da das attraktive langfristige Potenzial von Investitionen an unterversorgten Standorten immer mehr erkannt wird, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der öffentliche Sektor immer schneller Kapital in diese Projekte lenken wird. Lokale staatliche Pensionskassen (Local Government Pension Schemes, LGPS) sind bestrebt, die Stadterneuerung und -sanierung in den Gemeinden und für die Mitglieder, denen sie dienen, zu unterstützen.

Mit der klaren staatlichen Unterstützung ist der Zeitpunkt für Anleger jetzt günstig, um die Knappheit an Immobilien in den regionalen Städten und Gemeinden Grossbritanniens zu beheben. Wir sind der Meinung, dass Stadterneuerung und Raumgestaltung an unterinvestierten Standorten den Anlegern bessere risikobereinigte Renditen bieten. Zusammen mit den lokalen Behörden kann privates Kapital vernachlässigte Regionen verändern, den dringenden Wohnungsbedarf decken, echte und sinnvolle soziale Wirkung für alle Beteiligten erzielen und die Grundlage für lebendige, widerstandsfähige Gemeinschaften legen.

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