Das Entsorgungs- und Recycling-Unternehmen Cory verbrennt und verwertet im Grossraum London die Abfälle aus den Gemeinden entlang der Themse. In unserem Gespräch wirft Dougie Sutherland, CEO von Cory, einen Blick zurück auf die Anfänge des Unternehmens und blickt in die nahe Zukunft. Das bedeutet: Dekarbonisierung, CO2-Abscheidung und Wärmenutzung.

Ihr Unternehmen schaut auf eine über 200-jährige Geschichte zurück. Wie würden Sie es in Ihren eigenen Worten beschreiben? 
Wir sind eines der ältesten Unternehmen Londons und können unsere Geschichte bis mindestens 1785 zurückverfolgen, als wir Kohle per Schiff aus Wales und aus dem Nordosten Englands importierten. Der Kohletransport auf der Themse war während mehr als 150 Jahren unser Kerngeschäft.

Nach dem Zweiten Weltkrieg investierten wir in Steinbrüche und transportierten Baumaterialien für den Wiederaufbau Londons. Aus den Steinbrüchen wurden Deponien und aus Cory ein Entsorgungsunternehmen. Vor 15 Jahren begannen wir in die Energiegewinnung aus Abfall zu investieren und verkauften das Deponiegeschäft. Heute verarbeiten wir mehr als 20% des Londoner Mülls und verhindern, dass er auf Deponien landet. Zurzeit investieren wir gegen GBP 1 Mrd. in neue Flussinfrastruktur, was bis 2026 zu einer Verdoppelung der Grösse des Unternehmens führen wird.

Zwei Dinge haben sich in unserer Geschichte bis heute nicht geändert: die Bedeutung der Themse und unsere Service-Public-Kultur. Wir stellten uns immer wieder den Herausforderungen unseres Landes: Unsere Männer kämpften in der Schlacht von Trafalgar, wir mobilisierten unsere Flotte für den Krimkrieg und wir kämpften in beiden Weltkriegen und verloren in jedem Krieg 14 Schiffe durch feindlichen Beschuss. Auf unsere Geschichte sind wir unglaublich stolz!

Unser Erfolg verlangt, dass wir mit der Zeit gehen und uns anpassen; heute entwickeln wir unser Geschäft weiter, um der existenziellen Bedrohung durch den Klimawandel zu begegnen. Unser Hauptaugenmerk liegt dabei auf der CO2-Abscheidung und -Speicherung. Wir entwickeln zurzeit ein System, um die 1,5 Millionen Tonnen CO2, die bei der Verarbeitung des Londoner Abfalls anfallen, abscheiden zu können.

Die Themse wird auch in Zukunft im Mittelpunkt unserer Aktivitäten stehen, da wir das CO2 zur Speicherung unter der Nordsee mit Schiffen transportieren werden. – Ironischerweise begannen wir als Unternehmen, das «Kohlenstoff» nach London importierte, und jetzt sind wir auf dem besten Weg, ihn in die Erde zurückzubringen, wo er ursprünglich herkommt!

Ihr Slogan lautet «No waste from waste». Wie gehen Sie vor, um diesen Anspruch in die Realität umzusetzen?
Unsere Hauptaufgabe ist es, Abfälle sicher, effizient und umweltfreundlich zu verarbeiten. Abfall ist eine Ressource, und wir versuchen, alles, was in unsere Anlagen gelangt, zu recyceln und wiederzuverwenden. Das beinhaltet die Gewinnung der gesamten Energie und ihre Wiederverwendung als Strom oder Wärme, die Extraktion aller Metalle aus der Asche und ihre Wiederverwertung sowie die Aufbereitung der Asche, sodass sie als Zusatzstoff für Hoch- und Tiefbauprojekte eingesetzt werden kann.

Damit kein Abfall übrigbleibt, recyceln oder verwerten wir den Grossteil dessen, was Menschen wegwerfen. Die grosse Herausforderung heute besteht darin, wie man das bei der Abfallverbrennung entstehende CO2 nutzen kann. Das ist es, was mein Team und mich zurzeit wirklich beschäftigt. 

Wann kam es zu dieser Fokussierung auf die Dekarbonisierung?
Ich würde sagen, vor etwa vier Jahren haben wir unseren Worten Taten folgen lassen. Mir war klar, dass wir nicht nur eine moralische Verpflichtung zur Dekarbonisierung haben, sondern dass sich Cory dadurch auch von seinen Konkurrenten unterscheiden wird. Im vergangenen Jahr hat die britische Regierung angekündigt, dass ab 2028 Energiegewinnung aus Abfall in das britische Emissionshandelssystem (ETS) aufgenommen wird. Das bedeutet, dass CO2 aus Abfall ab dann besteuert wird. Dadurch wird das Wegwerfen von Abfall erheblich teurer. Ich bin ein Befürworter des Emissionshandelssystems, denn letztlich braucht es ein starkes Instrument wie Geld, um Verhalten wirklich zu ändern und um das richtige, langfristig ausgerichtete politische Umfeld zu schaffen, sodass es sich für den Privatsektor lohnt, in Dekarbonisierungsstrategien zu investieren.

Das ist das Stichwort zu Ihrem jüngsten Projekt «Carbon Capture & Storage». Wie sehen Ihre Pläne konkret aus?
Wir verfügen über zwei Müllverwertungsanlagen – eine bestehende und eine, die sich (auf demselben Areal) im Bau befindet und im Lauf des Jahres 2026 in Betrieb gehen wird. Wir werden dann rund 1,5 Millionen Tonnen Abfall verbrennen, das bedeutet, rund 1,5 Millionen Tonnen CO2 produzieren. In den letzten dreieinhalb Jahren haben wir ein System zur CO2-Abscheidung entwickelt und wir rechnen damit, bis Ende 2025 einen Planungsentscheid zu erhalten. Wir gehen davon aus, dass wir 2026 die endgültige Investitionsentscheidung treffen und bis 2029/30 den Bau und die Beschaffung von Schiffen (oder einer Schifffahrtsdienstleistung) finalisieren können.

Gegenüber vielen unserer Konkurrenten aus Binnenregionen, die eine umfangreiche Infrastruktur benötigen, um CO2 per Pipeline zu transportieren, haben wir einen grossen Vorteil. Wir sind bereits auf der Themse tätig und können somit das abgeschiedene CO2 direkt auf unsere Schiffe laden und zum Ort der Lagerung transportieren. 

Wo liegt dieser Speicherort?
Im Nordseegebiet Viking, ca. 120 km vom Land entfernt. Dort befindet sich ein erschöpftes Gasfeld mit einer bestehenden Pipeline zum Festland. Die britische Regierung unterstützt die Konversion einiger dieser Speicherstätten. Das Gasfeld liegt 2,7 km unter dem Meeresspiegel und ist von einer Salzschicht bedeckt, die zuvor das Gas während Jahrmillionen am Entweichen gehindert hat und dies auch beim CO2 tun wird. 

Ihre erste Müllverwertungsanlage, Riverside 1, ist seit 2011 in Betrieb. Was geschieht mit dem in dieser Anlage erzeugten Strom? Was mit der Wärme?
Der von uns erzeugte Strom wird als Grundlast ins nationale Netz eingespeist. Energie aus Abfall macht in Grossbritannien zurzeit zwischen 3 und 4% der britischen Stromversorgung aus. Wir betreiben unsere Anlagen mit dem von uns erzeugten Strom. Der Bedarf wird deutlich zunehmen, sobald wir unsere CO2-Abscheidungsanlage gebaut haben, denn diese Technologie ist zurzeit sehr energieintensiv. Vielerorts in Europa wird Wärme aus Müllverwertungsanlagen in Fernwärmesysteme eingebunden. Bei uns ist dies noch nicht der Fall. Wärme ist jedoch die effizienteste Nutzung unserer Energie, und wir erzeugen genug, um das gesamte Finanz- und Politikzentrum Londons zu beheizen.

Die Lieferung von Wärme aus unseren Anlagen an die lokalen Gemeinden und in die Londoner City erfordert erhebliche Investitionen in die Infrastruktur und braucht Zeit zur Umsetzung. Wir haben jedoch eine Lösung entwickelt, bei der die Wärme in Thermobatterien auf Lastkähne verladen, auf der Themse transportiert und direkt in bestehende Wärmenetze entlang des Flusses eingespeist werden kann. Dies ist eine sehr kreative Art und Weise, vorhandene und schnell einsetzbare Technologie zu nutzen, um bestehende gasbetriebene Wärmenetze zu dekarbonisieren.  

Welche Rolle kommt dabei aus Ihrer Sicht der britischen Regierung zu?
Es ist wichtig, dass die Regierung politische Rahmenbedingungen festlegt, die langfristige Investitionen in die Infrastruktur und in die Entwicklung neuer Technologien ermöglichen. Das ist bekannt, und die britische Regierung entwickelt Strategien und stellt Finanzmittel bereit, die erhebliche Investitionen in Dekarbonisierungstechnologien wie die CO2-Abscheidung und -Speicherung unterstützen können.

Wir können den Klimanotstand nicht einfach ignorieren – vielleicht werden sie es tun –, aber bisher erhält die CO2-Abscheidung und -Speicherung von der Regierung Aufmerksamkeit und Finanzmittel, und auch der Privatsektor investiert stark in Entwicklungsprojekte. Sollten wir diesen Schwung verlieren, wäre das eine wirtschaftliche und vor allem eine ökologische Katastrophe für die nächste Generation. 

Die Themse spielt eine bedeutende Rolle in Ihrem Unternehmen und in dessen Geschichte. Gibt es dennoch Pläne, in andere Regionen Grossbritanniens zu expandieren?
Wir prüfen definitiv, wie das Unternehmen wachsen kann, aber das muss auf der Grundlage unseres wettbewerbsfähigen Werts erfolgen. Wir sind sehr gut darin, Müllverwertungsanlagen zu betreiben, doch das sind andere auch. Grossbritannien verfügt über annähernd genügend solcher Anlagen, um die Nachfrage zu decken, sodass die Möglichkeiten für zusätzliches Wachstum begrenzt sind. Einzigartig hingegen sind wir, wenn es darum geht, den Fluss einzusetzen. Ein Ausbau entlang der Themse ist für unser Unternehmen also ein optimales Vorgehen. Zusätzlich erarbeiten wir uns eine Expertise in den Bereichen CO2-Abscheidung und CO2-Handel, was zu Wachstum in anderen Regionen Grossbritanniens führen könnte.  

Zurzeit liegt unser Fokus stark auf dem Bau der neuen Müllverwertungsanlage und der dazugehörenden Infrastruktur, einschliesslich der CO2-Abscheidung. Das wird für ein erhebliches Wachstum sorgen.

Würden Sie sagen, dass Cory Menschen dabei unterstützt, ein nachhaltiges Leben zu führen?
Eine glückliche und motivierte Belegschaft ist ein guter Massstab für ein nachhaltiges Leben. Wir wurden kürzlich von Investors In People geprüft. Die Rückmeldungen lauteten durchgängig: «Ich arbeite gern bei Cory» – daher beantworte ich Ihre Frage mit einem klaren Ja. 

2018 erwarb Swiss Life Asset Managers als Teil eines Konsortiums von Infrastrukturinvestoren das britische Entsorgungs- und Recycling-Unternehmen Cory, um dessen nachhaltige Abfallbewirtschaftung, Energierückgewinnungsanlagen und Dekarbonisierungspläne zu fördern.

Swiss Life Asset Managers verfügt über einen langen Anlagehorizont in Infrastruktur und verbindet Branchenwissen mit Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit.

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