Nebst dem Kampf gegen den Klimawandel steht die Finanzwelt mit dem Erhalt der Biodiversität vor einer neuen, grossen Herausforderung.

Der weltweite Rückgang der biologischen Vielfalt stellt für die Menschheit eine grosse Herausforderung dar. Laut WWF1 ist die Population der wildlebenden Wirbeltiere seit 1970 um fast 70% zurückgegangen. Ähnlich wie die Klimaberichte des IPCC2 schlägt auch die zwischenstaatliche Biodiversitätsplattform IPBES3 Alarm. Die Hauptfaktoren für die Verschlechterung unserer Ökosysteme sind veränderte Land- und Meeresnutzung, Ausbeutung der Arten, Klimawandel, Umweltverschmutzung und invasive Arten.

Ein multidimensionales Thema mit gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen

Die Biodiversitäts- und die Klimakrise sind miteinander verbunden. Neben dem Interesse für Arten und Ökosysteme geht es um ökosystemische Dienstleistungen innerhalb der Klimaregulierung. Unsere Ökosysteme spielen eine zentrale Rolle bei der Aufnahme von Kohlenstoff. Ozeane und terrestrische Ökosysteme absorbieren in der Tat fast die Hälfte des weltweit emittierten CO2 und tragen damit direkt zur Eindämmung der globalen Erwärmung bei. 

Die Zerstörung der Natur hat gesundheitliche und soziale Auswirkungen. Auch die Nachhaltigkeit von Wirtschaftsmodellen und des Finanzsystems ist gefährdet. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit von Unternehmen und unweigerlich auf ihre Einnahmen. Schätzungen zufolge sind 5 bis 8% der aktuellen Agrarproduktion der Welt, was einem jährlichen Marktwert von USD 235 bis 577 Milliarden entspricht, direkt von der Bestäubung durch Tiere abhängig.4

Die Pariser Abkommen Version Biodiversität

Die COP 15 zu Biodiversität, die vom 7. bis 19. Dezember 2022 in Montreal stattfand, wurde nach mehreren Covid-bedingten Absagen mit Spannung erwartet. Das politische Ziel war es, die mobilisierende Wirkung von COP 21, die zum Pariser Klimaabkommen geführt hatte, für die Biodiversität zu wiederholen.

196 Länder trafen sich für dieses gemeinsame Ziel und erreichten, nach mehreren Monaten intensiver Verhandlungen, ein historisches Abkommen. Dieses Abkommen gibt einen klaren Kurs vor und setzt quantifizierte und messbare Ziele, um den Rückgang der Biodiversität deutlich zu reduzieren. Eines der wichtigsten Ziele ist der Schutz von bis zu 30% der Landes- und 30% der Meeresfläche bis 2030. Vereinbart wurde ausserdem, Pestizid- und Nitrateinsätze zu halbieren, 30% der beschädigten terrestrischen und marinen Ökosysteme bis 2030 wieder herzustellen, das Einschleppen invasiver gebietsfremder Arten um die Hälfte zu reduzieren und bis 2050 das durch menschliche Aktivitäten verursachte Aussterben geschützter Arten zu stoppen. Darüber hinaus sollen Subventionen in der Höhe von USD 500 Milliarden abgeschafft werden, die Aktivitäten unterstützen, die der Natur und der Biodiversität schaden.

Um sicherzustellen, dass alle Länder diese Ziele umsetzen können, sollen bis 2030 USD 30 Milliarden von den reichsten Ländern an die Entwicklungsländer überwiesen werden. 

Regulatorische Richtlinien machen Fortschritte und ermutigen Investoren zum Handeln

Sei es mit der CSRD-Richtlinie5, sei es mit dem Energie- und Klimagesetz in Frankreich oder mit den «technischen Angleichungskriterien» der Europäischen Kommission – es sind solche Entwicklungen, die dafür sorgen, dass Unternehmen und Investoren gemeinsame Referenzen haben. Diese Regulierungsfortschritte, ob auf nationaler oder europäischer Ebene, müssen nun in konkrete Investitionsmassnahmen münden, während gleichzeitig die Öffentlichkeit für diese Fragen stärker sensibilisiert werden muss.

Eine Fülle an Investitionsmöglichkeiten

Unsere Aufgabe als Investorin ist es, Unternehmen danach zu beurteilen, wie sie die Kriterien zum Schutz der Biodiversität tatsächlich umsetzen. Dies geschieht zunächst durch den Ausschluss von Unternehmen mit negativen Auswirkungen auf die Umwelt. Dann geht es darum, Unternehmen mit Lösungen auszuwählen, die dazu beitragen, die Umweltverschmutzung zu reduzieren, die Wasserqualität zu verbessern oder den Abfall zu verringern, insbesondere durch Vermeidung und Recycling. Wir verfügen heute über recht gute Kenntnisse über die Auswirkungen und Abhängigkeiten von Aktivitäten und Wirtschaftszweigen. Deshalb ist es sehr wichtig, die Grundlagen der Geschäftstätigkeit von Unternehmen und ihre Sensibilität gegenüber der Biodiversität zu verstehen.

Der Kampf gegen den Biodiversitätsverlust birgt eine Fülle an Möglichkeiten mit neuen Lösungen und Technologien. Gemäss dem WEF6 repräsentieren biodiversitätsbezogene Investitionen einen potenziellen Markt von USD 10 Billionen pro Jahr und schaffen bis 2030 fast 395 Millionen Arbeitsplätze. Unternehmen, die sich in diesem Bereich positionieren, stellen echte Investitionsmöglichkeiten dar.

Wir sind überzeugt, dass der Erhalt der Biodiversität zum neuen Schwerpunktthema für nachhaltige Investoren werden kann.

1 World Wildlife Fund
2 Intergovernmental Panel on Climate Change
3 Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services
4 Quelle: IPBES
5 Corporate Sustainability Reporting Directive (Inkrafttreten geplant für 1. Januar 2024). Diese Richtlinie wird dank der Harmonisierung von nicht-finanziellen Daten europäischer Unternehmen einen wichtigen Schritt bedeuten.
6 Weltwirtschaftsforum

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